Deutschland steht auf seiner Liste -  Trumps Handelskrieg

  08 Februar 2020    Gelesen: 814
  Deutschland steht auf seiner Liste -   Trumps Handelskrieg

US-Präsident Donald Trump hat geschafft, was er sich vorgenommen hat: das Handelsdefizit mit China zu schrumpfen. Als nächstes dürfte er sich Europa vornehmen.

Die US-Regierung hat gerade eine neue Waffe für ihren Handelskrieg erfunden: Sie heißt "Währungsregel" und soll amerikanische Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz schützen. Beschwert sich künftig beispielsweise General Motors über den Wettbewerber Volkswagen, prüft das Handelsministerium, ob Deutschland (also die Eurozone) abgewertet hat, um den Export anzukurbeln. Lautet die Antwort "ja", verhängen die USA Strafzölle auf importierte VWs.

Wirtschaftsminister Wilbur Ross beteuert, dass die Geldpolitik unabhängiger Notenbanken "normalerweise" nicht im Visier sei. Doch in der Realität lässt sich das neue Instrument willkürlich einsetzen - schließlich hat US-Präsident Donald Trump nicht nur China, sondern auch Europa vorgeworfen, "ein großes Spiel der Währungsmanipulation" zugunsten der Exportwirtschaft zu betreiben. Die Regelung stelle auch für Importe aus Deutschland, Irland, Italien, Japan und anderen Ländern ein Risiko dar, urteilte die Nachrichtenagentur Reuters. Denn alle diese Staaten stehen auf der "Beobachtungsliste" des US-Finanzministeriums. Sprich: Ihre Währungs- und Handelspolitik ist unter akutem Verdacht.

Das neue Regelwerk zeigt, dass Trumps America-first-Feldzug ungeachtet des mit China geschlossenen Waffenstillstands in vollem Gange ist. Und durch die jüngsten Handelsdaten wird sich der selbst erklärte "Zoll-Mann" in seiner Strategie bestärkt fühlen. Im vergangenen Jahr ist das amerikanische Handelsbilanzdefizit zum ersten Mal seit 2013 gesunken.

Doch während Amerikas Negativsaldo aus Exporten und Importen gegenüber China um satte 18 Prozent schrumpfte, sieht das Bild bei Europa völlig anders aus: Das US-Handelsdefizit schwoll auf Rekordniveau an. Trump, der sich immer wieder beklagt, dass Europa "uns schlechter behandelt als China", dürfte das als Handlungsaufforderung verstehen.

Aus seiner Sicht hat die Zollwaffe ihre Tauglichkeit bewiesen. Die Importe aus China sind gesunken, weil die - immer noch auf ein Volumen von 360 Milliarden Dollar erhobenen - Abgaben an der US-Grenze die Produkte aus Fernost für die Amerikaner verteuern.

Doch im Kleingedruckten erweist sich der vermeintliche Erfolg als Pyrrhussieg.

Nicht nur Amerikas Importe, auch die Exporte sind 2019 gesunken, und zwar auch dort, wo es im traditionellen Arbeitermilieu richtig schmerzt: bei Kapitalgütern, industriellen Teilen und Materialien. Der Rückgang der Einfuhren geht dagegen zu einem beträchtlichen Teil auch darauf zurück, dass die USA immer weniger Öl im Ausland einkaufen müssen.

Der Handelskrieg gegen China hat mitnichten eine Renaissance der Kohle- und Stahlindustrie oder des produzierenden Gewerbes in Amerika bewirkt. Die Industrie beschäftigt heute nur noch rund 13 Millionen Amerikaner, während im Dienstleistungssektor rund zehn Mal so viele Menschen arbeiten. Trumps Chaospolitik hat für einen Investitionsstopp gesorgt. Die gesunkenen Importe seien auch eine Folge der schwächelnden Industriekonjunktur, sagt Mary Lovely vom Peterson Institute for International Economics: Amerikas Firmen stellen weniger her, also brauchen sie auch weniger Zulieferungen. "Wenn sich die US-Industrie abschwächt, schwächen sich auch die Importe von Industriegütern ab." Sprich: Je schlechter die Wirtschaft läuft, desto besser sieht für Trump zumindest die Handelsbilanz aus.

Chinas Rolle als US-Lieferant haben schlicht andere übernommen: Vietnam, Taiwan, Südkorea und eben auch EU-Länder. Beispielweise erwirtschafteten die USA nun mit Mexiko ein Rekordhandelsdefizit. Es finde nur ein "Umstellen der Stühle an Deck" statt, so Lovely.

Amerikas Farmer, die traditionell zuverlässig für Exportüberschüsse gesorgt haben, hat der Einkaufsboykott der Chinesen mit Wucht getroffen. Das Jahresplus der Landwirtschaft schrumpfte 2019 um 3,5 Milliarden Dollar. Unzählige Bauernpleiten sind die Folge.

Dass Ökonomen die Fixierung auf die Handelsbilanz ohnehin für unsinnig halten, weil diese über die Gesundheit einer Volkswirtschaft wenig aussagt, ist da fast schon egal.

Trump aber ist von der Handelsbilanz besessen. Als größten Erfolg feiert er, dass er China die Zusage abgerungen hat, in den kommenden zwei Jahren zusätzliche Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar in Amerika einzukaufen. Viele Experten halten das Ziel für wenig realistisch. Und der Ausbruch der Coronavirus-Seuche in China dürfte die Kalkulation endgültig obsolet machen. "Der Exportboom aus dem Handelsabkommen wird wegen des chinesischen Virus länger dauern, das stimmt", gibt Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow zu.

Es ist also zu befürchten, dass sich der Krieger im Weißen Haus auf andere Gegner besinnt. Im Handel mit Deutschland haben die USA 2019 ein Minus von 67 Milliarden Dollar verbucht.

spiegel


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